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Der Wegeunfall im Homeoffice

Ist der Weg vom Schlafzimmer ins Homeoffice unfallversichert?

Instanzenzug:

Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 08.12.2021 – B 2 U 4/21 R

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.11.2020 – L 17 U 487/19

Sozialgericht Aachen, Urteil vom 14.06.2019 – S 6 U 5/19

Fragestellung:

Streitig waren die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und damit einhergehend die Frage, ob der Weg zur erstmaligen Aufnahme der versicherten Tätigkeit im Homeoffice unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.

Sachverhalt

Der Kläger war als Gebietsverkaufsleiter im Außendienst versicherungspflichtig beschäftigt. An einem Tag im Dezember 2018 befand er sich auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro (Homeoffice) und rutschte dabei auf der Wendeltreppe aus und brach sich einen Brustwirbel. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfalls ab. Ein Versicherungsfall liege nicht vor.

Vorinstanzliche Urteile

Das Sozialgericht Aachen hat mit Urteil vom 14.06.2019 der Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls stattgegeben. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Aachen geändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung des streitgegenständlichen Ereignisses als Arbeitsunfall. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg von und nach dem Ort der Tätigkeit befunden und er habe den Unfall auch nicht infolge einer seinen Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erlitten. Es habe sich nicht um einen versicherten Weg nach dem Ort der Tätigkeit gehandelt, weil der Kläger hierbei die Haustür nicht durchschritten hatte. Ein im Homeoffice Beschäftigter könne niemals innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversichert sein, so das LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O. Die Annahme eines Betriebsweges scheide schon deswegen aus, weil sich der Kläger zum Zeitpunkt des Treppensturzes auf dem Weg in sein Arbeitszimmer zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit am Unfalltag befunden habe. Der Kläger habe damit eine auch im Homeoffice gerade nicht unfallversicherte Vorbereitungshandlung zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit in seinem Arbeitszimmer vorgenommen, woran ein Versicherungsschutz im Zeitpunkt des Treppensturzes und damit dessen Anerkennung als Arbeitsunfall scheitere, so das LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.

Urteil des Bundessozialgerichts

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) hat der Kläger hier einen Arbeitsunfall erlitten. Nach den bindenden Feststellungen des LSG habe das Beschreiten der Treppe allein der Arbeitsaufnahme des Klägers im häuslichen Büro (Homeoffice) in der dritten Etage seiner Wohnung gedient. Der Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme sei danach als Betriebsweg versichert gewesen, so das Bundessozialgericht a.a.O.

Urteilsbegründung

Ausnahmsweise sei ein Betriebsweg auch im häuslichen Bereich denkbar, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude befänden, so das BSG unter Verweis auf das vorangegangene BSG Urteil vom 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R. Ob ein Weg als Betriebsweg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt werde und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe, bestimme sich auch im Homeoffice nach der „objektivierten Handlungstendenz des Versicherten“, so das BSG a.a.O. unter Verweis auf das vorangegangene BSG Urteil vom 31.08.2017 – B 2 U 9/16 R.

 

Zu der Entscheidung des Bundessozialgerichts 08.12.2021 – B 2 U 4/21 R liegt der Volltext derzeit noch nicht vor.

 

Quellen:                Sozialgerichtsbarkeit Bundesrepublik Deutschland, Pressemitteilung des BSG 37/2021, BSG Terminbericht Verhandlung B 2 U 4/21 R

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