Adobestock 111854331 1024x768
Hand with marker writing Equality of man and woman Von STOATPHOTO

Vermutung für Benachteiligung aufgrund des Geschlechts bei geringerem Vergleichsentgelt

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01.2021, 8 AZR 488/19

Das Bundesarbeitsgericht hat am 21.01.2021 entschieden, dass bei der unterschiedlichen Ausgestaltung der Gehälter, trotz gleicher und gleichwertiger Arbeit zu Lasten einer weiblichen Beschäftigten, eine widerlegbare Vermutung für eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vorliegt.

So lautet der Leitsatz der Pressemitteilung:

Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG), begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt und erhielt im August 2018 von der Beklagten eine Auskunft nach §§ 10 ff. EntgTranspG, aus der das Vergleichsentgelt der bei der Beklagten beschäftigten männlichen Abteilungsleiter hervorgeht. Angegeben wurde dieses entsprechend den Vorgaben von § 11 Abs. 3 EntgTranspG als „auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median“ des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage (Median-Entgelte). Das Vergleichsentgelt liegt sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Klägerin. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Grundentgelt sowie der ihr gezahlten Zulage und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte für die Monate August 2018 bis Januar 2019 in Anspruch genommen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte den Fall an den Normen des Art. 57 I AEUV, §3, 7 EntgTranspG zu messen. Neben der europarechtlichen Vorgabe lautet der § 3 EntgTranspG wie folgt:

 

(1) Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.

 (2) Eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung liegt vor, wenn eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt erhält, als eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts erhält, erhalten hat oder erhalten würde. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt auch im Falle eines geringeren Entgelts einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

 

Weiter ergänzt wird diese Regelung durch § 7 EntgTranspG:

 

Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.

 

Gemessen hieran hatte die Revision vor dem BAG Erfolg.

 

Aus der von der Beklagten erteilten Auskunft ergab sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach den Vorgaben des EntgTranspG liegt in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson, weil entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit erhält. Die Klägerin hat gegenüber der ihr von der Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, denn ihr Entgelt war geringer als das der Vergleichsperson gezahlte. Das Bundesarbeitsgericht widerspricht insoweit der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und ist der Ansicht, dass dieser Umstand zugleich die widerlegbare Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren hat. Letztlich war eine abschließende Beurteilung des konkreten Falles durch das Bundesarbeitsgericht nicht möglich, da das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen zur Widerlegung der Vermutung durch die Beklagte getroffen hat. Unter der Maßgabe der hier dargestellten Auffassung wurde der Fall somit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Zwar bleibt abzuwarten, wie der konkrete Fall vom Landesarbeitsgericht letztlich entschieden wird, nichtsdestotrotz existiert nun eine klare Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts, die die Durchsetzung zukünftiger Ansprüche erheblich erleichtern dürfte. Im Sinne des Hauptgedanken des EntgTranspG ist diese Rechtsauffassung zu begrüßen.