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LG Berlin schützt alte, verwurzelte Mieter vor Eigenbedarfskündigung

Urteil des LG Berlin vom 25.05.2021 – Aktenzeichen 67 S 345/18

Ein unbefristetes Mietverhältnis zwischen den Parteien kann durch eine ordnungsgemäße Kündigung durch den Vermieter beendet werden. Vermieter können grundsätzlich ihrem Mieter eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB aussprechen. Eigenbedarf liegt vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Das Landgericht Berlin hat in seinem Urteil entschieden, dass Mieter vom Vermieter unter Berufung auf ihr hohes Alter und ihre tiefe Verwurzelung am Ort der Mietsache die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen können.

Sachverhalt:

Die mittlerweile 89-jährige Beklagte ist seit 1997 Mieterin einer der Klägerin gehörenden Wohnung. Die Klägerin erklärte der Beklagten sowie ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann zuerst im Jahr 2015 und in Folge mehrmals die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. Die Beklagten widersprachen der Kündigung unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung vom Ersatzraum zu beschränkten finanziellen Mittel. Infolge erhob die Klägerin eine Räumungsklage gegen die Beklagte sowie den mittlerweile verstorbenen Ehemann.

Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Berlin mit Urteil vom 12.03.2019 mit der Begründung zurückgewiesen, dass allein wegen des hohen Alters der Beklagten eine Fortsetzung des Mietverhältnisses geboten wäre.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil vom 12.03.2019 auf eine Revision der Klägerin teilweise aufgehoben und an das Landgericht zurückgewiesen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes begründet das hohe Alter des Mieters alleine und ohne weitere Feststellungen zu den sich hieraus ergebenden Folgen noch keine Härte. Eine tiefe Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietwohnung hänge von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters ab.

Mit Urteil vom 25.02.2021 hat die 67.Zivilkammer des Landgerichts Berlin die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Klägerin steht der gegenüber der Beklagte geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht zu. Keine der noch streitgegenständlichen Kündigungen hat das Mitverhältnis beendet.

Die Widersprüche der Beklagten begründen einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit. Gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtsfertigen ist.

Die kündigungsbedingte Beendigung des Mietverhältnisses begründet für die Beklagte eine Härte. Es kann dahinstehen, ob die von der Beklagten behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich derart erheblich sind, wie das Amtsgericht angenommen hat. Mieter können im Einzelfall auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen auf eine Forstsetzung des Mietverhältnisses berufen, wenn sie zum Zeitpunkt des Wohnungsverlustes bereits in einem hohen Lebensalter befänden und zudem aufgrund eines langjährigen Mietverhältnisses tief am Ort der Mietsache verwurzelt seien.

Die Beklagte hatte mittlerweile während 24 Jahren Aufenthalt in den von ihr bewohnten Räumen. Sie hat Einkäufe in der Vergangenheit in zwei Geschäften gemacht, die sich in fußläufiger Entfernung zur Mietwohnung befinden. Auch die medizinische Versorgung befindet sich überwiegend in der unmittelbarer Nähe zur Mietsache. Die Beklagte verfügt auch über soziale Kontakte in der Nachbarschaft. Die Beklagte kann sich damit mit Erfolg zu ihren Gunsten auf den Härtegrund hohen Alters und einer damit eingehenden Verwurzelung am Ort der Mietsache berufen. Die Folgen des Wohnungsverlustes wären für die Beklagte so schwerwiegend, dass sie auf eine Verletzung ihrer durch Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde hinausliefen.

Die Interessen der Klägerin als Vermieterin hätten dahinter zurückzustehen. Eine Interessenabwägung zu Gunsten des Vermieters käme bei kündigungsbedingten Verletzungen der Menschenwürde des Mieters allenfalls dann in Betracht, wenn der Vermieter besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestandes des Mietverhältnisses geltend machen könne, die ein den Interessen des betagten und an seinem Wohnort tief verwurzelten Mieters zumindest gleichrangiges Erlangungsinteresse begründeten. Im vorliegenden Fall beabsichtigte die Klägerin die Wohnung eigen zu nutzen, um lediglich unerhebliche wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden und aus bloßem Komfortzuwachs.

Die Kammer hat die erneute Revision nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung kann Beschwerde beim BGH eingelegt werden.

Fazit:

Im Falle einer Kündigung aufgrund von Eigenbedarf durch den Vermieter ist immer eine Abwägung der Interessen beider Seiten zugrunde zu legen. Insbesondere im Falle der Kündigung von Mietern hohen Lebensalters, die schon sehr lange in ihrer Wohnung leben und verwurzelt sind, sind diese zukünftig besser aufgrund des Urteils des Landgerichtes Berlin vom 25. Mai 2021 Az. 67 S 345/18 geschützt.