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Reisen in Zeiten der Corona-Pandemie

Unter welchen Voraussetzungen kann die Reise kostenfrei storniert werden?

Die lang ersehnte Reise wird in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie zu einer „Zitterpartie“. Was zum Zeitpunkt der Buchung noch galt, kann sich aufgrund der dynamischen Entwicklung ganz schnell ändern. Im Inland sind Hotels seit Monaten für touristische Zwecke geschlossen und auch andere Beherbergungseinrichtungen, wie Ferienwohnungen und Campingstellplätze, dürfen aufgrund eines Beherbergungsverbots nicht für touristische Zwecke vermietet werden. Der aktuelle deutschlandweite Lockdown wurde in allen Bundesländern bis Mai 2021 verlängert.
Auch Auslandsreisen sind massiv betroffen. Das Auswärtige Amt warnt vor nicht notwendigen, touristischen Reisen ins Ausland. Die Liste der als Risikogebiete eingestuften Länder ist lang.
Denjenigen, die bereits eine Reise in naher Zukunft gebucht haben, stellt sich nun die Frage des Schicksals der Reise. Kann die Reise angetreten werden? Wenn nicht, was passiert mit der geleisteten (An-) Zahlung? Wie kann ich mich vom Vertrag lösen und wer trägt welche Kosten?

Rechtslage bei Pauschalreisen

Auf die Pauschalreise finden die §§ 651a ff. BGB Anwendung. Eine Pauschalreise liegt vor, wenn mindestens zwei Reiseleistungen (z.B. Flug & Hotel) zusammen gebucht wurden. Gemäß § 651h BGB kann sowohl der Reisende als auch der Reiseveranstalter (Letzterer nur in den in § 651h Abs. 4 S. 1 BGB genannten Fällen) bis zum Beginn der Pauschalreise zurücktreten. Tritt der Reiseveranstalter vom Vertrag zurück, verliert er gem. § 651h Abs. 4 S.2 BGB seinen Anspruch auf den Reisepreis. Hat der Reisende bereits eine Anzahlung oder gar den gesamten Reisepreis geleistet, ist der Reiseveranstalter zur Rückzahlung innerhalb von 14 Tagen nach Rücktritt gem. § 651h Abs. 5 BGB verpflichtet.

„Der Reisende kann auf die Auszahlung bestehen.“

Einige Reiseveranstalter verweigern eine Erstattung der geleisteten Zahlung und bieten stattdessen lediglich die Umbuchung oder einen Gutschein für die nächste Reise an. Die Annahme des Gutscheins ist freiwillig und daher nur mit dem Einverständnis des Reisenden zulässig. Der Reisende kann auf die Auszahlung bestehen.

Ein kostenfreier Rücktritt des Reisenden ist nur unter den Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 möglich. Hierin heißt es:

„Der Reiseveranstalter kann keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.“

„Gewisse Wahrscheinlichkeit für .. gesundheitsgefährdende Ausbreitung … genügt.“

Liegt eine konkrete Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das gebuchte Reiseziel zum oder in zeitlicher Nähe des Reisezeitpunktes (etwa 4 Wochen) vor, sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt und der Reisende kann kostenfrei zurücktreten. Eine konkrete Reisewarnung ist aber nicht zwingend erforderlich, um sich „coronabedingt“ kostenfrei vom Vertrag lösen zu können.  Das AG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.08.2020, Az. 32 C 2136/20) und auch das AG Köln (Urteil vom 14.09.2020, Az. 133 C 213/20) sowie das AG Stuttgart (Urteil vom 13.10.2020, Az. 3 C 2559/20) haben bereits entschieden, dass für die Annahme eines solchen außergewöhnlichen Umstandes eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Virus zum Zeitpunkt des Rücktritts genügt. Entscheidend für die Bewertung ist der konkrete Einzelfall. Indizien, die für die Bewertung einer erheblichen Beeinträchtigung herangezogen werden können, sind u.a. die Einstufung als Risikogebiet, die Infektionszahlen vor Ort, Einschränkungen am Urlaubsort etc. Die bloße Angst vor einer Ansteckung reicht nicht aus.

Allerdings kann der Reiseveranstalter bei einem übereilten Rücktritt von der Reise eine Entschädigung („Stornogebühr“) verlangen. Dies selbst dann, wenn sich im Nachhinein ergibt, dass die Reise von außergewöhnlichen Umständen betroffen ist und sich der Rücktritt später darauf hätte stützen lassen.

Die vorgenannten Gerichtsentscheidungen betreffen Reisebuchungen vor Ausbruch der Pandemie. Wurde die Reise nach Ausbruch und in Kenntnis der Pandemie vorgenommen, ist § 651h Abs. 3 BGB nach Rechtsansicht des Verfassers auch auf solche Reisen anwendbar. Dies jedenfalls dann, wenn der Reisende zum Zeitpunkt der Buchung davon ausgehen durfte, dass die Pandemie eine „sichere“ Reise im Reisezeitraum zulässt, sich die Lage dann aber im weiteren Verlauf unerwartet wieder derart verschlechtert, dass eine „sichere“ Reise unmöglich wird und/oder sich die Einschränkungen am Urlaubsort infolge der Corona-Restriktionen erheblich verschärfen (z.B. wenn beim gebuchten Badeurlaub der Strand gesperrt ist).

Rechtslage bei Individualreisen

Bei einer Individualreise, d. h. der Reisende hat Unterkunft und Flug beispielsweise individuell gebucht, kann sich der Reisende nicht auf die gesetzlichen reiserechtlichen Ansprüche berufen. Eine kostenlose Stornierung ist hier nur in absoluten Ausnahmefällen möglich. Selbst eine konkrete Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die Urlaubsdestination begründet grds. kein Recht, die Reiseleistung, sei es Flug, Hotel/Ferienwohnung oder Mietwagen, kostenlos zu stornieren.

Vorrangig sind bei Individualreisen die vertraglichen Vereinbarungen (insb. Allgemeine Geschäftsbedingungen) zu Stornierungen und Umbuchungen zu beachten. Nur wenn keine vertragliche Vereinbarung getroffen wurde, greifen die gesetzlichen Regelungen. Ist deutsches Recht anwendbar, kann der Reisende in diesen Fällen nur dann kostenfrei stornieren, wenn die vertraglich vereinbarte Einzelleistung nicht erfüllt werden kann. In diesen Fällen liegt eine rechtliche Unmöglichkeit vor, so dass der Anspruch auf Gegenleistung entfällt. Besteht, wie aktuell deutschlandweit, ein Beherbergungsverbot für touristische Zwecke, kann der Hotelier / Vermieter der Ferienwohnung die gebuchte Übernachtung nicht mehr anbieten. Da er die vertragliche Leistung somit nicht mehr erbringen kann, können Privatleute kostenlos stornieren. Gleiches gilt z.B. für einen Flug, der aufgrund eines Einreiseverbotes im Zielland nicht stattfinden kann.
Problematisch ist bei einer Individualreise, wenn die gebuchte Unterkunft im Ausland liegt und in den dem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt ist, dass das jeweilige ausländische Recht Anwendung findet. Dies hat zur Folge, dass Ansprüche des Reisenden mit erheblichem Aufwand im Ausland gerichtlich durchgesetzt werden müssen, wenn sich die Vertragsparteien nicht einig werden.

Gern beraten wir Sie bei rechtlichen Fragen zu Ihrer geplanten Reise sowie bei Streitigkeiten mit ihrem Vertragspartner.

Autor dieses Artikels
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