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Der bei der Jagd erschossene Jagdhund

Mit der Frage nach dem Wert eines während der Jagd versehentlich erschossenen Jagdhundes musste sich das OLG Frankfurt auseinandersetzen und hat für diese Wertermittlung anstelle des Vergleichswertverfahrens das Sachwertverfahren angewandt.

Sachverhalt:

Der Schütze hat 2018 bei einer Drückjagd versehentlich den damals ca. 20 Monate alten Terrier der Klägerin, der bei der Jagd eingesetzt war, erschossen.

Nach seiner Darstellung hat er von weitem ein Stück Schwarzwild anwechseln sehen, welches von einem Hund mit Warnweste und dem Terrier der Klägerin gehetzt worden sei. Als sich dieses ihm bis auf 60 – 70 m genähert hatte, habe sich der Hund mit Warnweste ungefähr 10 m neben der Sau befunden, während der Hund der Klägerin nicht mehr zu sehen war. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass sich der Hund der Klägerin wieder entfernt hatte, und habe die Sau beschossen. Er hat weiterhin vorgebracht, der Waldboden, den er vor sich gehabt habe, sei uneben, mit kleinen Gräben und Löchern durchzogen und zudem mit einer dicken Schicht Laub und verwelktem Grasbewuchs bedeckt gewesen. Er vermute, dass sich der Hund der Klägerin bei der Schussabgabe hinter der Sau oder in einer Senke befunden habe.

Der Haftpflichtversicherer, bei welchem die Veranstaltung versichert war, hat auf Grundlage eines von ihm eingeholten Gutachtens zum Wert des Hundes vorprozessual abschließend 2.100,00 € reguliert.

Die Klägerin hat daraufhin gegen den Haftpflichtversicherer, den Schützen und den Jagdleiter Klage erhoben mit dem Ziel, für den Verlust des Hundes weiteren Schadensersatz in Höhe von noch 5.896,00 € zu erhalten. Sie vertrat die Auffassung, der ihr entstandene Schaden bestehe neben dem Kaufpreis für einen Welpen der gleichen Rasse in Höhe von 500,00 € auch in der von ihr in die Ausbildung des Hundes investierten Zeit. Diese bezifferte sie mit 7.000,00 € zuzüglich diverser Übungstage und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 496,00 €.

Erstinstanzliche Entscheidung:

Das zuständige Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens nebst mündlicher Erläuterung die Klage abgewiesen, weil nach sachverständiger Sicht der Wert des Hundes mit den außergerichtlich geleisteten 2.100,00 € korrekt bemessen sei.

Berufungsverfahren und Urteil:

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung zum OLG Frankfurt eingelegt und ihren erstinstanzlichen Antrag in vollem Umfang weiterverfolgt und erneut gerügt, dass der erstinstanzliche Gutachter seiner Wertermittlung das Vergleichswertverfahren zugrunde gelegt habe, obwohl er selbst ausgeführt habe, dass ein Vergleichsmarkt für die hier maßgebliche Hunderasse nicht bestehe. Auch seien seine Ausführungen zu den Marktpreisen für andere Hunderassen nicht überzeugend gewesen.

Das OLG Frankfurt hat ein weiteres schriftliches Gutachten desselben Sachverständigen nebst schriftlicher Erläuterung eingeholt und dann mit Urteil vom 20.04.2021 – 4 U 184/19 – die Berufung zurückgewiesen und eine Revision nicht zugelassen.

  1. Die Klage gegen den Haftpflichtversicherer ist unbegründet, weil die Voraussetzungen eines Direktanspruchs nach § 115 VVG nicht erfüllt sind (wird ausgeführt).
  2. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Jagdleiter besteht nicht, weil dieser nicht schuldhaft gegen eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen hat. (wird ausgeführt).
  3. Auch die Klage gegen den Schützen ist unbegründet.
    1. Dem Grunde nach ist eine Haftung des Schützen gegeben. Nach § 823 Abs. 1 BGB haftet ein Jäger für Schäden, die er im Rahmen der Jagdausübung schuldhaft verursacht. Vorliegend steht außer Frage, dass der Hund der Klägerin durch einen vom Schützen abgegebenen Schuss getötet wurde. Sein eigenes schriftsätzliches Vorbringen belegt zudem, dass der Schütze fahrlässig gegen Sorgfaltspflichten verstoßen habe, als er die Sau beschoss (wird ausgeführt).
    2. Durch die vorprozessual erfolgte Zahlung des Haftpflichtversicherers in Höhe von 2.100,00 € ist jedoch der der Klägerin entstandene Schaden bereits vollständig ausgeglichen.

Urteilsbegründung:

Der Sachverständige hatte vor dem Landgericht für den Hund einen Gebrauchswert von 2.100,00 € ermittelt und dabei dessen Alter und die von ihm abgelegten Prüfungen berücksichtigt. Hierfür hat er das Vergleichswertverfahren angewandt. Das Sachwertverfahren habe er nicht für anwendbar gehalten, weil ein schlecht veranlagter Hund, der mehr Ausbildungszeit benötige, keinen höheren Wert habe. Auch brauche ein unerfahrener Hundeführer mehr Zeit, ohne dass dies dazu führe, dass der Hund mehr wert sei. Bei der Zuchtprüfung 1 handle es sich zudem um eine Anlageprüfung, bei der relativ wenig verlangt werde, weil es hauptsächlich auf die Anlagen des Hundes ankomme.

Der Sachverständige hat mit der Klägerin den Welpenpreis mit 500,00 – 700,00 € veranschlagt. Die Zuchtprüfungen 1 und 2 bewertete er jeweils mit 500,00 €, und für die jagdliche Praxis und das Leistungszeichen S setzte er weitere 400,00 € an. Nach seinen Angaben gibt es bei Hunden dieser Rasse keinen Marktwert, weil diese Hunde üblicherweise nicht verkauft außer würden, so dass man einen vergleichbaren Hund auch nicht kaufen könne. Der Sachverständige hat sich an einer Preisliste des Jagdgebrauchshundevereins orientiert, die für verschiedene Jagdhunderassen – allerdings nicht diejenige des Hundes der Klägerin – mit Anlageprüfung bestimmte Preisrahmen empfehlen würde. Dem Senat wurde allerdings nicht deutlich, nach welchen Kriterien sich diese Preisrahmen richteten; anscheinend handelt es sich hierbei um eine Abstimmung zwischen dem JGHV und den Zuchtvereinen auf Zuruf; Werte, die für Hunde genannt werden, würden in der Regel erst einmal hingenommen und manchmal hinterfragt. Nach dem persönlichen Gefühl des Sachverständigen seien die Werte in der Liste eher zu hoch. Weitere Wertermittlungsquellen seien für ihn einschlägige Zeitschriften, deren dort angegebenen Preise er mit denen aus der Liste vergleiche.

Der Senat stand dem Vergleichswertverfahren, welches der Sachverständige angewandt hatte, jedoch kritisch gegenüber angesichts des Umstandes, dass ein dem Getöteten vergleichbarer Hund auf dem allgemeinen Markt nicht erworben werden kann. Die in der Preisliste des JGHV für andere Hunderassen empfohlenen Preisrahmen beruhen offenbar nicht auf systematischen Markterhebungen und damit objektiven Kriterien, sondern werden nach nicht näher nachvollziehbaren Kriterien unter Berücksichtigung der auf Zuruf mitgeteilten Vorstellungen der Zuchtvereine festgelegt.

Die für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens vom Sachverständigen und der Beklagtenseite in Bezug genommene Entscheidung des BGH, welche zur Zerstörung eines Unikats (Modellboot) ergangen ist, findet auf den hier vorliegenden Fall keine Anwendung. Es handelte sich dabei um ein vom dem dortigen Kläger in jahrelanger Eigenarbeit hergestelltes Bootsmodell, welches als „nicht marktgängiges Einzelstück“ angesehen wurde, und welches bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die auch den wirtschaftlichen Wert für den Kläger zu berücksichtigen hat, nicht durch die Lieferung eines anderen, gewerbsmäßig hergestellten oder auf dem Markt erhältlichen Modells zu ersetzen ist. Es ist das Produkt aus der Erfindungsgabe und dem handwerklichen Geschick des Klägers, der es nach seinen Bedürfnissen und seinem Geschmack geplant und erstellt hat und zu diesem Zweck eigene Lösungen technischer Art entwickelt, das benötigte Material ausgewählt und es nach seinen für richtig erachteten Methoden bearbeitet hat. Ein solches Bastlerstück, das eben nicht nach allgemein zugänglichen Plänen und Gebrauchsanweisungen hergestellt wurde, ist nicht reproduzierbar. Es ist, wie ein Kunstwerk, ein Unikat. Ein möglicherweise käufliches Modellboot eines anderen Bastlers kann dieses Unikat nicht ersetzen, noch viel weniger ein Modell, das gewerblich in einer Werkstatt hergestellt wird (BGH, Urteil vom 10. Juli 1984 – VI ZR 262/82 -).

Hier sind jedoch vergleichbare Welpen dagegen ohne weiteres auf dem Markt erhältlich und bedürfen lediglich der weiteren jagdlichen Ausbildung, die aber nicht nur von der Klägerin, sondern auch von jedem anderen Jäger oder jeder ähnlich qualifizierten Trainingsperson geleistet werden kann, und zu objektiv messbaren und für eine Vielzahl von Hunden standardisierten Prüfungsleistungen führt.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin bemisst sich daher zum einen nach dem Preis für einen vergleichbaren Welpen, der unstreitig bei 500,00 € liegt, zzgl. der Kosten, die für die Ausbildung eines Hund mit durchschnittlicher Begabung aufzuwenden sind, um einen Ausbildungsstand zu erreichen, der demjenigen des Hundes der Klägerin zum Zeitpunkt seines Todes entspricht.

Diesen Aufwand hat der Sachverständige mit überzeugender und nachvollziehbarer Begründung auf insgesamt 79 Std. geschätzt. Er hat dabei den von dem Hund der Klägerin durch Prüfungen nachgewiesenen Ausbildungsstand zugrunde gelegt, die jeweiligen Leistungsanforderungen beschrieben und die zum Erreichen des Ziels notwendigen Ausbildungsschritte dargestellt. Ferner hat er in seinem Ergänzungsgutachten den notwendigen Zeitaufwand für die einzelnen Prüfungspunkte gesondert dargestellt und dabei auch nachvollziehbar erläutert, warum er bei einzelnen Punkten keinen gesonderten Zeitaufwand des Hundeführers berücksichtigt hat.

Bei Ansatz von 10,00 € je Stunde Ausbildungszeit entsprechend der Berechnung der Klägerin entspricht der Ausbildungsaufwand 790,00 €. Zuzüglich des Preises für den Kauf eines Welpen beträgt der materielle Schaden, der der Klägerin durch die Tötung ihres Hundes entstanden ist, somit 1.290,00 €. Selbst wenn man den von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen folgen wollte, der vom Sachverständigen angesetzte Zeitaufwand für die Erlangung der Leinenführigkeit sei zu gering bemessen, würde dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Der Haftpflichtversicherer hat vorgerichtlich eine Zahlung in Höhe von 2.100,00 € erbracht. Selbst wenn der vom Sachverständigen angenommene Ausbildungsaufwand in diesem Punkt deutlich höher zu bewerten sein sollte, ergäbe sich kein Gesamtschaden, der über der von der Beklagten bereits regulierten Summe liegt.

Die Revision gegen diese Entscheidung wurde nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.